Mental Load - räuber:mädchen

Die letzten Jahre sind unglaublich hart für mich. Vom Wunsch Mutter zu sein in die Überforderung
des Mutter-seins. Von einer Schwangerschaft zur nächsten, von einem Hormonchaos in das
darauffolgende. Ich wurde in fünf Jahren fünf Mal schwanger und brachte drei gesunde Mädchen zur
Welt. Stillen, wickeln, spazieren, Einschlafbegleitung, kochen, Haushalt, Kinderkrankheiten, … jeder
Tag anders und doch immer wieder dasselbe. Und wäre die körperliche und seelische Belastung noch
nicht genug, kommt der extrem hohe Anspruch an sich selbst und dieser kaum auszuhaltende Druck
der Gesellschaft, der auf Müttern lastet. Geh arbeiten, nur nicht zu viel. Arbeite so, dass du die
Kinder zur Schule und Kindergarten bringen kannst und dann auch wieder abholen um am
Nachmittag für sie da zu sein. Sorge gut für dich, du bist schließlich ein Vorbild, aber nicht zu viel du
Egoistin. Mach Sport, du lässt dich gehen, nimm aber nicht zu viel ab, du siehst krank aus. Geh feiern
mit deinen Freundinnen, aber wer ist denn dann bei den Kindern? Sei sexy für deinen Mann, er hat ja
schließlich auch Bedürfnisse.


Die Liste könnte ich unendlich fortführen.


Ich bin mit hohem Leistungsdruck groß geworden. Das ist für meine mentale Gesundheit auch nicht
unbedingt förderlich, da ich mich zur Perfektionistin entwickelt habe. Druck von außen und von
innen kann man nicht lange standhalten. Eigentlich. Aber ich halte immer noch Stand. Keine Ahnung
wie ich die letzten Jahre ohne größeren Nervenzusammenbruch überstehen konnte. Ich funktioniere
einfach. In der Arbeit, in der Familie, Ehe, in meiner selbstständigen Tätigkeit. Ich war sieben Jahre
bei meinen Kindern Zuhause, ein Jahr davon habe ich versucht, mir eine Selbstständigkeit als
Sexualpädagogin aufzubauen. Das war auch härter als erwartet. Man investiert die ersten 1,5 Jahre
100% Energie für Output der kaum der Rede wert ist. Um nicht durchzudrehen nahm ich eine
Anstellung in einem Frauenhaus an, der ich nach wie vor nachkomme und sehr liebe. Die Anstellung
und die Arbeitszeiten am Nachmittag brachten große Turbulenzen in unsere Familie. Meinem Mann
fiel die Umstellung auf mehr Care-Arbeit für ihn richtig schwer. Weniger Zeit für sich, mehr
Einsparungen in Arbeit und Freizeit schlugen sich auf seine Stimmung. Das ich ein paar Jahre zuvor
auch alles aufgeben musste, war selbstverständlich. Die Umstellungsphase dauerte ungefähr ein
halbes Jahr und kostete fast unsere Ehe. Meine Selbstständigkeit konnte ich trotz meiner
Erwerbstätigkeit im Frauenhaus nicht ganz loslassen. Die letzten Jahre Zuhause hatte ich so viele
Ideen die bereit waren umgesetzt zu werden. Da ich durch Fortbildungen, Vernetzungstreffen,
Workshops und Vorträgen noch weniger für die Familie verfügbar war, wurde unser System immer
unrunder. Mein Mann versicherte mir, mich in allen Ideen und Vorhabungen zu unterstützen. Wenn
man ihn aber besser kannte, wusste man sofort, dass ihm ein 08:00 - 12:00 Uhr-Job bei seiner Frau
um einiges lieber wäre.


Nun stehe ich da, könnte so unglaublich stolz auf mich sein auf alles was ich die letzten Jahre
geschafft habe. Aber was ist das einzige das am Ende des Tages bleibt? SCHLECHTES GEWISSEN.
Dieses nagende, zermürbende schlechte Gewissen den Kindern, Ehemann, der Arbeit und sich selbst
gegenüber. Egal in welche Richtung ich mich drehe, überall glotzt mich dieses schlechte Gewissen aus
seinen trüben, müden Monsteraugen an. Du kannst nichts richtig machen. Du leistest zu wenig. Du
bist schuld. Schuld an allem und nichts.

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